MARSCH 02
AUF DER STELLVERTRETERGRENZE DER MAGINOT-LINIE (NORD)

Ist es heutzutage zwingend notwendig, dass die „Rue Nationale“ den „Boulevard de la Liberté“ kreuzt? Und wenn ja, war es (und wenn nochmal ja, warum war es) vor hundert Jahren anders? Ist eine Kreuzung heute eher ein Schnitt oder eher eine Schnittmenge oder vielleicht doch nur die notgedrungene Überwindung verschiedener Richtungen? Und war das schon immer so?

In Lille läuft die „Rue Nationale“ von Westen nach Osten und ist damit entweder Affront oder dazu verdammt, irgendwann abrupt zu enden, wenn nicht gar abrupt beendet zu werden. Da verhält es sich mit dem „Boulevard de la Liberté“ schon deutlich charmanter: grob betrachtet von Norden nach Süden laufend, würde er mit etwas Durchhaltevermögen in beiden Richtungen in die Weiten der Meere übergehen und hätte so mit der Maginot-Linie nicht nur die Richtung gemeinsam.

Wie viel Freiheit eine massive Befestigungsanlage jedoch birgt, hängt selten mit ihrer Richtung zusammen, sondern eher damit, aus welcher Richtung man auf sie schaut. Um das zu verstehen, muss man nicht einmal die Seiten wechseln. Auch nicht rückblickend.

Wo nun steckt sie, die Maginot-Linie? In der Schnittmenge von „Rue Nationale“ und „Boulevard de la Liberté“? Im Zentrum der Verkehrsquerung oder im Zenit von nationalem Gefühl und liberté toujour? Und für wen gilt Sie heute, die Linie, die Kreuzung, die Freiheit?